Mathias Bäumel, Freiberger Jazztage

Jazz-Freiberg ist anders. Nicht nur, dass in der kleinen mittelsächsischen »Silberstadt« mit den Freiberger Jazztagen das einzige deutsche Jazzfestival mit direktem Universitätsbezug stattfindet – das Studentenwerk mit seiner IG Jazz ist Veranstalter –, sondern die Freiberger Jazztage gehen auch beim grafischen Außenauftritt einen völlig eigenen Weg. Hier wirbt seit 1997 nicht ein zeitgeist-konform glattgelutschtes Logo für die exzellenten Jazztage, sondern eine Art Jahr für Jahr anders aussehendes Maskottchen, der Faun oder das Teufelchen. Dessen Schöpfer, der Künstler Holger Koch, erinnert sich: »Faun oder Teufel, so genau weiß ich es gar nicht, erscheint ja in der Mythologie gern mit Flöte, so wie auch unser erster.« Nun, der erste, dessen Flöte wohl auch Ähnlichkeiten mit dem ungarischen Kurutzen-Tärogato oder der osmanischen Zurna aufweist, entstand auf Anregung von Wolfgang Eugen Trautzold, seit Jahrzehnten einer der wichtigsten Jazztage-Aktivisten, »Mein Freund Eugen Trautzold sprach mich an, so eine Idee für das Plakat zu entwickeln«, erinnerte sich Koch, »Ich kannte einige Vorgängermotive, da ich aber gern mit fabelhaften Motiven arbeite, ist eben der Faun entstanden.« Und seitdem begleitet dieses Maskottchen die Freiberger Jazztage wie ein in stetem Wandel begriffenes visuelles Leitmotiv. Ob Faun oder Teufelchen, in beiden Fällen geht es um – manch-mal augenzwinkernd, manchmal provokant inszenierte – Alternativen zum Üblichen. So ist in einem Kurzroman Arno Schmidts der Faun Metapher für ein Leben im Draußen: Der Held der Geschichte, Beamter eines Regimes, wünscht sich in eine Waldhütte und sehnt sich dort eine faunische Existenz herbei. Dem Teufel, »Durcheinanderwerfer« oder auch »Verwirrer«, wies die verkirchlichte christliche Religion eine Rolle als Personifizierung des »Bösen« zu. Mit der Folge, dass er – wie etwa in Charles Baudelaires »Li-tanei des Satans« – zur letzten Hoffnung für Entrechtete, Unglückliche und Unterprivilegierte wurde. Ob Faun oder Teufelchen – die von Holger Koch Jahr für Jahr gezeichneten Figuren symbolisieren in sympatischer, witziger Weise das Selbstverständnis des zeitgenössischen Jazz und das seines Publikums. Dass das 1997 erstmals in Erscheinung tretende Teufelchen (zuvor gab es ein paar andersartige grafische Gestaltungen) ein In-strument blies, das an Südosteuropa und Kleinasien erinnert, war vielleicht Zufall, erhielt jedoch wenigstens im Nachhinein einen passenden Sinn. Jazz und ethnische Musik aus mancher Herren Länder, immer wieder auch aus Südosteuropa, in einem Festivalprogramm – dies ist seither ein Markenzeichen der Freiberger. Klar. dass sich im Laufe der Jahre – 1997 hat mancher die Be-griffe Internet oder E-Mail gerade so erstmals gehört – manches beim Erschaffen der Teufelchen verändert hat. »Die ersten Plakate habe ich im Siebdruckverfahren angefertigt«, so Holger Koch. »Da habe ich alles 1:1 auf Folien gezeichnet. Die Druckqualität war ein Stück besser als heute, wo es im Digitaldruck erstellt wird.« Man könne aber heute unterschiedliche Formate von einer Vorlage drucken, »was ja auch für die Verbreitung wichtig ist«, so Koch. »Heute skizziere ich nur die Idee und versuche den Entwurf dann digital zu erstellen.« Der Künstler, der längst für seine witzigen, skurrilen, teils auch grotesken Druckgrafiken, Gemälde und Zeichnungen bekannt geworden ist, bezeichnet sich selber nicht unbedingt als Jazzfan. »Ich höre gern Musik, auch bei der Arbeit. Aber eben sehr unter-schiedliche«, sagt er von sich. Das könne auch Jazz sein. Und bezogen auf seine Arbeit für die Freiberger Jazztage: »Mir geht es in erster Linie darum, eine einprägsame Bildidee zu finden, die auch eine Fortsetzung der vorangegangen Jahrgänge ahnen lässt « Wer nun die bisher achtzehn Teufelchen Revue passieren lasst wird fasziniert anerkennen, dass dem Koch das bestens gelungen' ist. Freiberg ist anders, meist teuflisch schön. 

Mathias Bäumel, 2014