Sabine Aurich Rogge, Ausstellung in der Galerie Refugium in Medingen

Die Geister, die ich rief ...

Gedanken zu Holger Koch

Er ist ein Geschichtenerzähler. Ein Geschichtenerzähler in Bildern, der Maler Holger Koch. Schon in seiner Kindheit, sobald er lesen konnte, haben ihn diese Geschichten verfolgt. Da waren Gestalten aus Märchen und Sagen, aus Abenteuern und Reisen, die sich in seiner Phantasie zu neuen Geschichten spannen, zu Bildern von wilden Gesellen und Fabelgestalten. So wurde das Zeichnen und der Umgang mit Farbe schon früh zu seinem Lebenselixier, um diesen Wesen Gestalt und Form auf Blättern, auf Leinwänden zu geben. Später dann, beim Kunststudium in Leipzig bekamen diese inneren Bilder immer mehr Profil und Struktur, von großer Poesie und erzählerischer Kraft. Das ist bis heute so. Nur der Bildaufbau, der Ausdruck ist reduzierter, strenger geworden. Dabei ist seine malerische Erzählweise nie direkt, sondern immer hintergründig verschlungen. Immer klarer wird seine unverwechselbare, künstlerische Handschrift. Heute hat er ein gestandenes Werk vorzuweisen, voller heiterer Gelassenheit, malerisch sicherem Handwerk und grafisch vielfältiger Struktur. Er ist sich dabei immer treu geblieben ohne zu erstarren, seiner inneren Welt und Stimme folgend, ohne geschmäcklerisch zu werden oder den »Zeitgeist« zu bedienen. Kunst ist Arbeit, hartes, erbarmungsloses Ringen um die eigene Wahrheit. Da gibt es Zeiten, in denen er »nichts« tut, nur in sich hinein hört, wachsen lässt, was da so an neuen Erfahrungen kommt, den Prozess des schöpferischen Wartens aushaltend. Um dann umso intensiver wieder zu arbeiten, wieder ein Stück weiterzugehen auf dem steinigen Weg. Die Wirkung seiner Arbeiten kommt aus der Tiefe seines Seins, seines Daseins, ohne Abgehobenheiten oder Schnörkel. Auch als Mensch ist er so wie seine Bilder, unverfälscht, unmittelbar, liebenswert, voller Schalk und nie ganz deutbar. Denn die Deutung seiner Kunst liegt beim Betrachter. Er muss entscheiden, ob und wie er sich auf diese Zauberwelten einlässt, ob er noch Kind sein kann und einen unverstellten Zugang zu den Dingen hat, ob er ohne alle Kopflastigkeit frei und sehend zum Geheimnisvollen findet, zur Welt hinter der Welt. Um diese Welt geht es dem Künstler und wer die Fähigkeit behalten hat, mit dem Herzen zu sehen, dem werden sich seine Bilder wie eine Schatztruhe öffnen, mit herrlichen Farben und Formen und einer Sprache voller unbändiger Fröhlichkeit und Vitalität. In kleinen und großen Formaten leben und weben da Wesen mit phantastischem Antlitz, mit Kastenköpfen, hocken bizarre Vögel auf verschachtelten Häusern und wunderliche Tiere schleichen durch den nächtlichen Wald. Die Titel der Arbeiten gehören untrennbar zum Bild. Sie geben Auskunft über Sinn und Unsinn und über die Richtung des Betrachtens. Da ist die »Märchenstunde«, ein roter Sessel mit geschlossenen Augen, auf dessen Lehne und Armen skurrile Vögel hocken, versunken, andächtig, witzig. Auf dem Stuhl eine brennende Kerze. Oder das »Nachtstück«: Ein berührendes Bild mit einer imaginären Landschaft im Hintergrund. Im Vordergrund ein katzenartiges Wesen, das einem kleineren behütend die Augen schließt. Auf dem Schwanz leuchtet der Mond, dahinter nachtschwarzer Himmel. Symbole finden sich fast in jedem Bild. Da ist der Mond, die Sonne und die brennende Kerze als Lichtbringer, das Blatt vorm Mund und der verschlossene Brief als Geheimnishüter und Träger. Hinter aller Verschlüsselung und allen Symbolen verbirgt sich eine unbändige Freude am Bild als solchem, an der Malerei, und greift unmittelbar auf den Betrachter über. Da wispert und kichert es auf den Blättern, da wird es manchmal unheimlich, nie aber gruselig. Und neben aller Lebensfreude steht immer ein ernstes Anliegen, ein Thema, vielschichtig und nachdenkenswert. Und da ist diese Farbigkeit, diese strotzende Kraft in den Bildern Holger Kochs. Man spürt förmlich die Lust am Malen, an der Spontaneität des Auftrags. Manchmal drückt er die Farbe direkt aus der Tube auf die Leinwand. So entsteht eine Sinnlichkeit am Material, üben schrunde und rauhe Oberflächen einen ganz eigenen Reiz aus. Es ist wie eine Art Gespräch mit dem Material, für den Künstler ebenso wie für den Betrachter. Es ist ein Genus durch diese Bilderwelten zu wandeln. Da ist also einer, der uns etwas schenkt, was viele von uns schon verloren haben, den Zugang zu den eignen Welten, Träumen und zur Phantasie und der durch seine schier unerschöpflichen Schöpfungen unserem Alltag Farbe verleiht.

Sabine Aurich-Rogge, 2005